2016 – Input / Thema E – Elisabeth Freismuth


Kunst und Kultur – die Zukunft der (als) Kulturnation

Was ist über Kultur zu sagen, wenn alle von Krise sprechen? Wer das in Österreich beant­worten will, kommt nicht um den Begriff der „Kultur­nation“ herum. Zunächst ist dieser eine Marken­be­zeichnung.
In Zeiten der wirtschaftlichen Herausforderung wird gerne darauf verwiesen, dass das touristische Poten­zial ein Glücksfall für unser Land sei. Und in der Tat kommt es der Positionierung unserer Desti­nationen als interessante, lebens- und besuchens­werte Orte sehr entgegen – sofern glaubhaft ver­­­mittelt werden kann, dass die künst­le­rische Rea­li­tät hinter den traditionellen Klischee­kulissen eben­falls dem Versprechen einer „Kulturnation“ gerecht wird.

Dies ist für mich als Rektorin einer Kunst­uni­versität ein zentraler Punkt. Bei der Verortung kultureller Qualität spielen Ausbildungsstätten eine, wenn nicht die zentrale Rolle – dies nicht trotz, sondern gerade wegen der Internationalität unserer Lehren­den und Studierenden. Theater- oder Fest­spiel­­intendantInnen kommen und gehen. Doch durch unsere Ausbildungsstätten wird nach­haltig eine Kultur aus Österreich geprägt.

Noch wichtiger als diese Feststellung ist mir als Rektorin der einzigen steirischen Kunstuniversität jedoch die Botschaft, dass Kultur weit mehr kann, als eine tourismustaugliche Marke zu stützen. Auch hier ist die Internationalität unseres Hauses von entscheidender Bedeutung.
Mit Studierenden aus rund 70 verschiedenen Nationen und einem AusländerInnenanteil von über 60 Prozent bilden wir Menschen aus der ganzen Welt für die ganze Welt aus. In einem Orchester, das StudentInnen aus Russland und der Ukraine oder aus Syrien und Israel vereint, findet Begegnung statt, Austausch, Integration.

„Die Kunst ist das Gewissen der Menschheit“

Diese Worte Friedrich Hebbels hat die Kunst­­universität Graz aktuell zu ihrem Motto gemacht, weil wir der Überzeugung sind, dass nur so die positive Kraft der Begegnung und des Zusammen­spiels in der Kunst auch hörbar, sicht­bar, erlebbar und so letztlich gesell­­schafts­politisch wirksam wird. Kultur ist Zukunft abseits der Krise, wir brauchen sie als Antwort auf welt­anschauliche Zuspitzungen, Funda­­menta­lismen und Polarisierung – heute mehr denn je.


Der Vortrag im Video-Rückblick:
 


Über Elisabeth Freismuth

Studien Jus, Geschichte und Kunstgeschichte. Direktorin an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Sektionsleiterin im Wissenschaftsministerium, lehrte u.a. am Max-Reinhardt-Seminar. Von 2014 bis 2018 Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, außerdem Präsidentin der „Freunde der Filmakademie Wien“, Vorsitzende des Forum Internationales der Österreichischen Universitätenkonferenz und seit 2018 Aufsichtsratsvorsitzende der Theater Holding Graz/Steiermark GmbH. [Foto: © bigshot.at / Christian Jungwirth]