2016 – Input / Thema D – Antonio Loprieno


Bildung, Wissenschaft und Forschung – was braucht Österreich?

Institutionelle und fachliche Varietät sowie inhomo­gene gesetzliche Bestimmungen stellen den Hoch­schulstandort Österreich vor neue Heraus­­for­derungen. Denn die europäische Wissens­land­­schaft hat sich in den letzten Jahren radikal ver­ändert. Was noch 2002 als Neuerung erschien – die „Autonomie“ der Universitäten – ist jetzt ein kenn­zeichnendes Merkmal aller Hoch­schulen auf konti­nentaler Ebene. Und in vielen euro­päischen Ländern wie Holland, Deutschland, Frank­reich oder der Schweiz bezieht sich die Auto­­nomie nicht mehr nur auf die in Österreich er­folg­reich umgesetzte akademische und admini­stra­tive Deutungshoheit, sondern betrifft auch die Möglichkeit, die strategischen Ziele der je­weiligen Universität in Kooperation, aber auch im Wett­bewerb mit anderen Hochschulen zu definieren. Und diesbezüglich zeigt die sys­te­­mische Stabilität des Hochschulstandorts Öster­­reich ein kleines innovatives Defizit: Universi­­täten und Fachhochschulen denken eher in sektorialen (Universität versus Fachhochschule) als in institu­tionell autonomen Kategorien.

In vielen euro­päischen Nachbarländern haben ver­schiedene Formen anreizgesteuerter Kompetition auf institutioneller Ebene den historisch ge­wach­senen Ausgleich in der Finanzierung der Hoch­schulen flexibilisiert: Instrumente wie die Ex­zellenz­initiative in Deutschland oder die Investisse­ments d’excellence in Frankreich haben einer­seits die Orientierung bestimmter Univer­sitäten am Primat der Forschungsexzellenz mit zu­sätz­lichen finanziellen Ausstattungen belohnt, andererseits die Dynamik aller Insti­tu­tio­nen des Wissens in der Suche nach kompe­ti­tiven Dritt­mitteln, privaten Partnerschaften und Wissens­­­transfer beschleunigt. Auch die relative Unter­­dotierung der kompetitiven For­schung, ins­be­sondere des Forschungsfonds FWF im Vergleich mit der generösen nicht-kompetitiven Aus­stattung einiger universitärer Professuren müsste
korrigiert werden.


Der Vortrag im Video-Rückblick:
 


Über Antonio Loprieno

Studium der Ägyptologie, Sprachwissenschaft und Semi­tistik an der Universität Turin. Er habilitierte sich an der Uni­versität Göttingen und lehrte als Professor an der University of California, Los Angeles (UCLA). Seit 2000 ist er Ordinarius für Ägyptologie an der Univer­sität Basel, von 2006 bis 2015 war er dort Rektor. 2008 bis 2015 Präsident der Schweizerischen Rektoren­konferenz (CRUS). Seit Jänner 2016 ist er Vorsitzender des Österreichischen Wissen­­schafts­­rats.