Red’s net, tuat’s! (Zitat, das Erzherzog Johann zugeschrieben wird)
Uns geht’s (noch) gut: Die Lebensqualität in Österreich stagniert auf hohem Niveau. Bei Indikatoren wie dem BIP pro Kopf oder dem Haushaltseinkommen pro Kopf liegen wird auf dem 2. Platz innerhalb der EU. Unsere Lebenszufriedenheit schätzen wir durchschnittlich mit 7,8 auf einer Skala von 1–10 ein. Beim Better Life Index der OECD liegen wir mit Platz 15 im guten Mittelfeld.
Ein Blick auf die Dynamik zeigt jedoch eine negative Tendenz bei vielen Indikatoren. So sind die Haushaltseinkommen pro Kopf gerechnet seit 2012 rückläufig. Die Entwicklung der Einkommen verläuft schlechter als im EU-Schnitt.
Dringender Handlungsbedarf: Ein zentraler Faktor für Wohlstand ist wirtschaftlicher Erfolg – die wirtschaftliche Leistung korreliert mit wesentlichen Aspekten sozialen und gesellschaftlichen Wohlstands. Auffallend ist, dass in sämtlichen Rankings zur Lebensqualität UND Wirtschaft die skandinavischen Länder vorne liegen.
In internationalen Wirtschaftsrankings ist Österreich max. durchschnittlich, nicht in den Top 20 und fällt weiter zurück. Konkret sind wir zwischen 2008 und 2015 im WEF-Index von Rang 14 auf 23, beim IMD-Ranking von 14 auf 26 zurückgefallen. Die Wettbewerbsfähigkeit sinkt, die Wirtschaftsstimmung ist im Keller, die Arbeitslosigkeit steigt, Überbürokratisierung blockiert die Betriebe.
Die gerade für Österreich als kleine offene Volkswirtschaft mit hohem Exportanteil und Lohnniveau erfolgskritische Innovations- und Produktivitätsdynamik zeigt sich ebenfalls schwach. Im European Innovation Scoreboard sind wir mit Platz 10 nur Mittelmaß und nicht mehr in der Gruppe „Innovation Leader“ (zuletzt 2009 mit Rang 6). Unsere Produktivität entwickelt sich negativ und wird aufgrund fehlender Investitionsanreize weiter gefährdet. Kritisch ist der Fachkräftemangel bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit (Strukturproblem).
Die Politik scheint überfordert, erstarrt im Status quo und hat kein Konzept, diese negative Dynamik zu stoppen. Österreichische CEOs schätzen die wirtschaftlichen Aussichten und die künftige Entwicklung noch pessimistischer ein als ihre ausländischen Kollegen. Der Wirtschaftsstandort braucht dringend einen starken Motivationsschub und eine aktive umsetzungsstarke Wirtschaftspolitik.
Kein Wissens-, sondern ein Umsetzungsproblem: Die Themen liegen am Tisch, werden von der Wirtschaft mantraartig eingefordert und auch von der Politik erkannt. Dieser Reformstau lähmt die Wirtschaft und wie von der Industriellenvereinigung befürchtet, werden die großen Reformthemen wie Föderalismus, Sozialpartnerschaft, Sozialversicherung, Gesundheitswesen, Bildung nicht „angegriffen“. Von den vielen guten Ideen des Verfassungskonvents sowie den über 1.000 Reformvorschlägen des Rechnungshofes wurde nichts umgesetzt.
Diese Umsetzungsprobleme und Beharrungskräfte scheinen systemimmanent und sind auf die politischen Entscheidungsstrukturen zurückzuführen. „Der Standard“ diagnostiziert, dass Österreich in jenem Dilemma steckt, das der US-Ökonom Olson vor mehr als 30 Jahren beschrieben hat. Er zeigt in „Aufstieg und Niedergang von Nationen“ auf, wie Interessensgruppen die Macht übernehmen und für ihre eigenen Vorteile, aber gegen die der Gemeinschaft arbeiten und Wettbewerb mit aller Kraft verhindern. Je mehr Einfluss diese „umverteilenden Koalitionen“ haben, desto niedriger fällt das Wirtschaftswachstum aus. Nur ein politischer Schock (Krieg, tiefgreifende Krise) kann solche Lobbys schwächen und leitet dann eine Phase von starkem Wachstum ein. Jahrzehntelange Stabilität aber lässt die Gruppen immer stärker werden und führt zu ökonomischer Stagnation.
Unsere Krise scheint nicht tief genug bzw. zu sanft und schleichend, um die Macht der Interessensgruppen zu brechen und eine Reformagenda umzusetzen. Dazu kommen die politischen Strukturen in Bundesländern sowie dominante Parteiinteressen und Klientelpolitik, die eine wirkliche Sachdiskussion verhindern und überparteiliche Initiativen schwierig machen (positive Ausnahme z.B. Reformpartnerschaft in der Steiermark) sowie eine äußerst veränderungsresistente Gesellschaft auf allen Ebenen (von der Gemeinde bis zur EU).
Von anderen lernen: Reformvorbilder wie Dänemark und Schweden sind signifikant besser darin, unterschiedliche Interessen intelligent zu verknüpfen (z.B. von Arbeitgebern und Arbeitnehmern; freie Marktwirtschaft mit umfassendem Sozialstaat), auch unpopuläre Maßnahmen in überparteilichen Initiativen zu beschließen (Regierung und Opposition gemeinsam) und konsequent umzusetzen.
Die lähmenden Blockaden können nicht durch Einzelmaßnahmen, sondern nur durch große Reformpakete und eine starke Allianz gegen die breite Front der Verhinderer gelöst werden. Also: Red’s net, tuat’s!