Für einen Wettbewerbsföderalismus!
Das Symposium „Österreich 22“ ist eine erfreuliche und ermutigende Initiative von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Die Idee, hervorragende Persönlichkeiten und kluge Köpfe aus ganz Österreich zusammen zu bringen und über eine Agenda für die unmittelbare und weitergehende Zukunft nachdenken zu lassen, ist notwendig und bemerkenswert zugleich. Schon der Titel des Symposiums lässt zumindest zwei Interpretationen zu. Zum einen soll wohl in einer mittelfristigen Perspektive – 2022 – darüber nachgedacht werden, wie man die dringendsten und drängendsten Herausforderungen für Österreich und Europa meistern kann. Demografie und Migration, Budgetkonsolidierung und Effizienz der Verwaltung, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Dynamik seien beispielhaft als Themenbereiche genannt, welche es zügig und klug im Interesse einer erfolgreichen Weiterentwicklung Österreichs zu durchdringen gilt. Hierbei darf man allerdings nicht bei Analyse oder Diagnose stecken bleiben, sondern muss auch überlegen, wie man zu unmittelbar wirksamen Reformprozessen und Handlungen kommt.
Zweitens deutet der Titel wohl auch an, dass wir – wenngleich noch immer eher am Beginn des 21. Jahrhunderts stehend – uns unweigerlich auch am Weg in Richtung des 22. Jahrhunderts befinden. Daher rücken auch die großen Fragestellungen, die uns im globalen Kontext vor gigantische Herausforderungen stellen, in den Blickwinkel. Bevölkerungswachstum und Ressourcenknappheit, der Klimawandel und seine Bewältigung, die Demokratie, der aufgeklärte Rechtsstaat und seine Gegner seien hier als Themen genannt, welche uns wohl noch Jahrzehnte beschäftigen werden und dennoch schon heute nach unmittelbarem Handeln schreien.
Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass „Österreich 22“ eine Initiative der Länderebene ist. Die österreichischen Bundesländer sollten sich der Chance bewusst werden, dass gerade sie Ideengeneratoren und Reformmotoren sein können – ja müssen. Oftmals wird im Zusammenhang mit dem allseits beklagten Reformstau und der mangelnden Dynamik politischer Prozesse in Österreich behauptet, die Länder seien dafür gleichsam hauptverantwortlich. Da wird gesagt, das kleine Österreich brauche doch keine neun Bundesländer oder gar neunfache Gesetzgebung in ausgewählten Fragen, die Landesregierungen seien doch bloß gut geölte Geldverteilungsmaschinerien. Insbesondere Kommentatoren in bundesweit erscheinenden Medien überbieten einander nachgerade im Föderalismusbashing. Dem gilt es klare Positionen entgegen zu halten. Weltweit gibt es keine dem Autor dieser Zeilen bekannte Untersuchung, wonach zentral organisierte Staaten besser oder effizienter funktionieren würden als dezentral organisierte. Gegenteilige Erkenntnisse gibt es hingegen zuhauf. Auch das Größenargument lässt sich relativieren, ohne dass man gleich auf das kleinste föderale Gebilde der Welt, den Inselstaat St. Kitts and Nevis verweisen müsste. 15 von 50 amerikanischen Bundesstaaten haben, bezogen auf die Bevölkerungszahl, ungefähr die Dimension österreichischer Bundesländer, die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht nur aus Bayern und Nordrhein-Westfalen sondern u.a. auch aus dem Saarland, Bremen und Hamburg.
Föderalismus darf nicht nur als Last, sondern auch als Chance erkannt werden. Im Sinne einer neuen Art eines Wettbewerbsföderalismus sollten die Länder in einen Wettbewerb um bessere Ideen und Reformvorschläge eintreten. Gleichzeitig gilt es, Kooperationen zu verstärken. Wer beispielsweise die Gesundheitsversorgung auf zukunftstaugliche Beine stellen möchte, darf seinen Planungshorizont nicht an Ländergrenzen enden lassen. Der demografische Wandel, der rasante medizinische Fortschritt und geänderte rechtliche Rahmenbedingungen fordern gerade in diesem Bereich Kooperationen über die Landesgrenzen hinaus.
„Österreich 22“ beweist auf sympathische Art und Weise, dass sich Politik entgegen allen Vorurteilen nicht nur auf vermeintliche Ränkespiele und Machterhalt beschränkt, sondern die Herausforderung Zukunft annimmt.