2021 – Matthias C. Kettemann


// Republik.at: für eine Verfassung der Freiheit in der Digitalität //

Auch wenn nicht jede gesellschaftliche Entwicklung auf „Digitali­sierung“ zurückgeführt werden kann, ändert sich mit dem digitalen Wandel unsere Gesellschaft. Dieser Wandel macht weder vor der Verfassung noch vor der Republik halt. Um die Gefahren der Digitalität abzu­wenden, aber ihre Potentiale heben zu können, be­darf es einer kritischen Sicht auf die „Republik.at“ und auf die Verfassung (der Verfassung) Österreichs in der Digitalität. Das Ziel ist klar: individuelle Freiheitsräume garantieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer zukunfts­orientierten Verantwortungs- und Nach­haltig­keits­gesell­schaft stärken.
Nach ihrem 100. Jahr muss die Verfassung sanft erneuert werden, um in der digitalen Konstellation weiterhin eine Verfassung der Freiheit zu bleiben. Wir müssen die Freiheit gegen neue Gefahren verteidigen lernen, nicht mehr (primär) gegenüber dem Staat, zumindest bei uns nicht, sondern auch und gerade gegenüber privaten Akteuren, die Kommunikationsinfrastrukturen zur Verfügung stellen. Dafür brauchen wir ein anderes (neues) Instrumentarium des Freiheitsschutzes. Die private Macht ist technisch ver­brämt und beruht auch auf den Hausrechten der Unter­nehmen. Aber in der Casa Austria ist die Verfassung vorrangig: Als Verfassung der Freiheit muss sie mit Recht Grenzen aufzeigen für private Ordnungsbildung und indi­vi­duelle Freiheitsräume wahren.
Aber auch die Republik, unser „Österreich 22“, muss mit der Zeit gehen: Damit die Republik eine res publica bleibt, müssen die vielfältigen Publika von der öffentlichen Sache – der Sicherung gesellschaftlichen Zusammenhalts –
über­zeugt werden. Staatliche Maßnahmen müssen mit Recht­fertigungsnarrativen flankiert werden. Nur wenn der Raum der Gründe, sich an Recht – auch online – zu halten, zeitgemäß und lebensweltadäquat gefüllt wird, ist die normative Ordnung der Republik.at zukunftssicher.


Über Matthias C. Kettemann

Professur für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts am Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck. Weitere leitende Rollen in der Internetforschung in Hamburg, Berlin, Wien und Graz. Mehrfach Sachverständiger für den Deutschen Bundestag. Gutachter und Experte für Internetregulierung, Cybersicherheit und Menschenrechtsschutz u.a. für den Europarat, die Europäische Grundrechteagentur, Stiftungen und Unternehmen. [Foto: © HBI 2020]