2021 – Martina Salomon


// Österreich braucht einen Neuaufbruch //

Der Zeitpunkt für visionäre Reformen könnte nicht besser sein – was ist zu tun? Die Krise hat aufgedeckt, dass unsere teure Verwaltung nur teilweise funktioniert. Unfassbare 22 Jahre hätte man eigentlich für den elektronischen Impfpass gebraucht. Spitäler und Heime wurden nicht vor Virenausbrüchen geschützt. Wir sollten dort daher jetzt die Qualitätsstandards überprüfen, übrigens auch im Schulwesen. Dieses hat sich noch mehr als bisher auf die Eltern verlassen. Auch Studenten an den öffentlichen Unis wurden weitgehend alleingelassen. Inhaltlich muss die grassierende Technikfeindlichkeit überwunden werden – auch zur Bewältigung der Klimakrise!
Schon länger hätte man sich ja fragen müssen: In welchen Bereichen ist Österreich herausragend, wo kann es besser werden, welche Marktlücken gibt es, auf welche Forschungsschwerpunkte sollte man setzen, und wie finden wir die besten Köpfe? Das betrifft natürlich nicht nur Professoren, sondern auch Fachkräfte, die an allen Ecken und Enden fehlen, obwohl unsere „duale Ausbildung“ ein „Exportschlager“ ist. Wenn Österreich ein Tourismusland bleiben will, muss außerdem die Verschandelung des öffentlichen Raums gestoppt werden.
Angesichts der Debatten – von ÖBAG bis ORF und Wiener Zeitung – sollte auch überlegt werden, wo sich der Staat (und damit die Politik) zurückziehen und was man privatisieren oder zumindest besser organisieren könnte.
Heikelstes Thema sind Sozialreformen: Ein zu hoher und weiterhin rasant steigender Anteil fließt in Pensionen und soziale Absicherung. Die Anreize, einen niedrig bezahlten Job anzunehmen oder länger zu arbeiten, sind zu gering. Der Leistungswille muss (wahrscheinlich auch mit Druck) mehr unterstützt werden. Gleichzeitig haben wir hohe Pull-Faktoren für die Einwanderung in unser (im internationalen Vergleich luxuriös ausgestattetes) Sozial- und Gesundheitssystem, während einwanderungswillige Leistungsträger mit Bürokratie schikaniert werden.
Nicht zuletzt sind Bundesverfassungsschutz und Justiz in einem katastrophalen, untereinander zerstrittenen Zustand. Österreich braucht einen Neuaufbruch. In Sicht ist er leider nicht.


Über Martina Salomon

Studien Germanistik/Publizistik an der Universität Salzburg und neben­bei bereits journalistisch tätig. Anschl. Innenpolitik-Redakteurin: bei der „Tiroler Tageszeitung“, bei „Der Standard“, dann Ressortleiterin Innenpolitik bei „Die Presse“. Seit Oktober 2010 beim „KURIER“, zuerst als stv. Chefredakteurin, ab 2013 Ressortleiterin Wirtschaft sowie Kolum­nistin („Salomonisch“) und seit Oktober 2018 als Chefredakteurin. Außerdem seit 2014 Vizepräsidentin des Presseclubs Concordia. [Foto: © Jeff-Mangione]