2018 – Franz Wolf


Miteinander statt nebeneinander
Derzeit leben in Österreich circa zwei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das ist mehr als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Der Anteil an Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit betrug 15 Prozent. Die deutsche Sprache ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Integrationsherausforderungen die Grundvoraussetzung, damit Integration in Österreich überhaupt gelingen kann. Dadurch können MigrantInnen am Arbeitsmarkt in Österreich Fuß fassen und in weiterer Folge selbsterhaltungsfähig sein. Die ökonomische Dimension steht daher im Mittelpunkt der Integrationsdebatte, auch inwieweit Österreich als Wirtschaftsstandort im globalen Wettbewerb von Migration profitiert oder welche Kosten durch Migration etwa im Sozial- und Gesundheitssystem oder auch im Asylwesen entstehen.
Von ebenso großer Bedeutung ist die Frage nach der Integrationskraft Österreichs im Hinblick auf eine kulturell wie religiös immer inhomogener werdende Gesellschaft. Fallen im täglichen Zusammenleben Begegnung und Austausch mit Menschen aus nahestehenden Kulturen oftmals leichter als mit jenen, deren Werthaltungen sich grundlegend von den eigenen unterscheiden, führen gleiche Herkunft, Ethnie und Religion jedoch trotzdem nicht automatisch zu größerem Zusammenhalt. Gesellschaft ist kaum ein homogenes Gefüge – sie besteht zumeist aus einer Vielzahl von Teilgesellschaften. Steigendes Anspruchsdenken, die Zunahme von Identitätspolitik und Individualismus führen in Zeiten steigender Mobilität von Menschen – neben Fragen von Kultur und Religion – zu zunehmenden Herausforderungen im Zusammenleben. Die Frage danach, was Vertrauen der Menschen zueinander in einer Gesellschaft schafft, wird dadurch immer bedeutender.
Was sind die Grundvoraussetzungen für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen und dafür, dass Menschen einander vertrauen, sich füreinander solidarisch zeigen, sich als Teil einer Gemeinschaft sehen und bereit sind, Verantwortung für Österreich im Heute und Morgen zu übernehmen? Integration darf dabei nicht nur funktional gemessen werden. Besonders die Ablehnung von Werten der offenen Gesellschaft gefährdet die Demokratie. Österreichs Integrationsverständnis zielt auf einen Grundkonsens im gemeinsamen Zusammenleben ab. Ein Modell des Nebeneinanders darf nicht die Normalität der Zukunft werden.


Über Franz Wolf

Studien Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Human Resource Management and Organizational Development. Tätigkeiten u.a. in Moskau und Kambodscha. Seit 2003 beim Österreichischen Inte­gra­tions­fonds, u.a. als stv. Geschäftsführer. 2009 bis 2011 im Kabinett der Innen­ministerin Maria Fekter, 2011 bis 2012 stv. Büroleiter des Staats­sekretärs für Inte­gration, Sebastian Kurz. Seit 2013 Direktor des Öster­reichischen Integrationsfonds.