2016 – Allgemein – Klaus Poier


Parteienlandschaft im Umbruch

Die Parteienlandschaften haben sich in fast allen Staaten Europas in den letzten Jahren dramatisch ver­ändert. Jahr­zehnte lang ver­loren „staatstragende“ Parteien, ins­be­son­dere auch in Gefolge der Wirtschafts-, Finanz- und Staatschuldenkrise, massiv an Vertrauen und Re­­prä­sen­ta­tionskraft, eine große Zahl an neuen Par­teien entstand, wobei dabei vor allem rechts-, aber auch links­populistische Parteien bei Wahlen besonders erfolg­reich sind.

Diese Veränderungen sind offenkundig Folge und Ausdruck einer grundsätzlichen Vertrauens- und Legitimationskrise der Politik, des politischen Personals wie der demokratischen Institutionen. Die neuen Parteienlandschaften, deutlich zer­splitterter und polarisierter, bringen vielfach auch höhere Instabilität der politischen Systeme mit sich, zumal es unter diesen Umständen in der Regel schwieriger wurde, stabile und arbeitsfähige Regierungen bzw. Regierungskoalitionen zu bilden.

Die Parteienlandschaft in Österreich befindet sich eben­so seit einiger Zeit in einem deutlichen Umbruch, wie sich – dies zeigen viele Umfragen – zumindest die „tradi­tionelle“ Politik auch in Österreich in einer tiefen Ver­trauens- und Legitimationskrise befindet. Es gibt keine einfachen Patentrezepte gegen dieses „Unbehagen in der Demokratie“, sondern es müssen – vor dem Hintergrund der vergleichbaren Trends in vielen Staaten – auch in Österreich tiefgehende Überlegungen angestellt und Anstrengungen unternommen werden, um den negativen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Hinsichtlich der auch für Österreich absehbaren zu­neh­menden Probleme der Regierungsbildung wäre es jeden­falls naheliegend, über mehrheitsfördernde Ele­mente im Wahlrecht zumindest zu diskutieren. Noch höher ist die Wahr­scheinlichkeit einer politischen Einigung auf eine wesent­lich stärkere Personalisierung des Wahlrechts, die sowohl die Verantwortlichkeit der einzelnen Man­da­tare sowie das Repräsentationsband zwischen Ver­treter und Wähler deutlich stärken würde. Die Krise ins­be­sondere der traditionellen Volksparteien erfordert weiters innere Reformen der Parteien in Richtung höhere Trans­parenz, Durchlässigkeit, strukturelle Anpassung an die gesellschaftlichen Veränderungen, innerparteiliche Demo­kratie und Bürgernähe.


Über Klaus Poier

Universitätsprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politik­wissen­schaft der Universität Graz, Forschungsschwerpunkte: Wahl­recht, Direkte Demokratie und Demokratiereform. Langjährige Ex­perten­tätig­keit in Fragen Demokratie- und Staatsreform, u.a. Mitglied im Österreich-Konvent. Seit 2015 Mitglied des ORF-Stiftungsrates. [Foto: © Teresa Rothwangl]