2018 – Christian Kircher


Hat die Kunst ihr Gespür verloren?
Die Welt gerät scheinbar aus den Angeln, weil alles sich ändert: die Bevölkerung, die Politik, die Medien, die Wirtschaft, sogar das Klima. Viele Menschen haben die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verloren, weil gemessen am heutigen Wohlstand die Angst vor zukünftigem Verlust die Hoffnung auf Verbesserung übersteigt (Philipp Blom). Als die Welt noch in Ordnung war, wurde der Kunst zuweilen eine seismografische Bedeutung zugeschrieben. Sie spürte Veränderung frühzeitig auf, setzte Trends und gab Richtungen vor. Auch die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen Wandels war von Kunst, wenn nicht geprägt, dann doch an maßgeblicher Stelle, nämlich auf der Vorderwelle, begleitet. Bevor eine kulturelle Strömung zum Mainstream wurde, musste sich eine Elite an den neuen Ideen abarbeiten.
Heute hat Kunst kaum mehr die Energie und Aufmerksamkeit, Änderungen auch nur im Nachhinein abzubilden. Aus Seismografen wurden Berichterstatter und ihre Berichte werden täglich von neuen Realitäten eingeholt. Die Maschine ist heiß gelaufen.
Bedeutet eine Besinnung auf den Kern der Kunst die Flucht in ein neues Biedermeier oder die Chance auf einen Neubeginn? Die Welt gerät scheinbar aus den Angeln, weil sich alles ändert. Der Ausgang ist offen und wir mittendrin.


Über Christian Kircher

Studium der Betriebswirtschaftslehre. 15 Jahre in der Privatwirtschaft, u.a. The Gillette Company, zuletzt in der Geschäftsleitung Deutschland. 2005 bis 2016 Finanzdirektor in den Museen der Stadt Wien (Wien Museum), seit 2016 Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GmbH. Außer­dem Aufsichtsrat des Jüdischen Museums der Stadt Wien sowie Bei­rat und Mitglied im Arnold Schoenberg Center bzw. Chor. [Foto: © Sabine Hauswirth, Bundestheater Holding GmbH]