2018 – Harald Stelzer


Soziale Technologien kontrollieren statt ignorieren
Soziale Technologien bzw. Social Engineering im Sinn geplanter und gesteuerter Veränderungen der Gesellschaft sind für das Industriezeitalter kennzeichnend. Zwar haben solche Eingriffe durch historische Erfahrungen im 20. Jahrhundert mit groß angelegten Sozialexperimenten einen schlechten Ruf erlangt, zugleich haben neue Entwicklungen jedoch dazu geführt, dass die Möglichkeiten von Eingriffen in soziale Systeme sowie der Vorhersage ihrer Konsequenzen in den letzten Jahrzehnten erhebliche Änderungen erfahren haben. Gerade die allumfassende Ausdehnung digitaler Technologien, die zu einer Transformation der Gesellschaft und des täglichen Lebens geführt haben, kommt mit neuen Möglichkeiten der Kontrolle, Überwachung und Steuerung sozialer Prozesse als auch individueller Handlung. Nun könnte man meinen, es wäre besser, die Potenziale, die hinter diesen Entwicklungen stehen, möglichst unausgeschöpft zu lassen, um Formen neuen Missbrauchs vorzubeugen. Die Ignoranz von Möglichkeiten stellt jedoch einen schlechten Ratgeber dar, da sie sehr oft dazu führt, dass diese auf intransparente Weise zum Vorteil bestimmter Interessen und Gruppen genutzt werden. Zudem sind neue Formen des Verwaltungs- bzw. des Servicemanagements zwischen Staat und Bürger längst im Vormarsch begriffen. Sogenannte Disruptive Technologies reichen etwa von der Einrichtung virtueller Amtszimmer und digitaler Identifizierung über die Nutzung von Big Data, Cloud Computing und neuronalen Netzwerken bis hin zur E-Participation mit Blockchain-Technologien und E-Voting. Um den Wildwuchs an solchen Technologien zu vermeiden und mit Europäischen Grundrechten und Werten in Übereinstimmung zu bringen, braucht es eine breit angelegte Diskussion über die Zukunft sozialer Technologien.


Über Harald Stelzer

Universitätsprofessor für Politische Philosophie an der Universität Graz, Schwerpunkt: Probleme und Möglichkeiten der normativen Evaluierung von politischen Handlungsoptionen. Studien der Philosophie und Soziologie, vielfacher Projetmitarbeiter an unterschiedlichen Institutionen, etwa 2013 bis 2014 am IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) in Potsdam, Mitherausgeber des Berichts für das Projekt EuTRACE.